Der Bergsturz im Voldertal

Bergsturz Anbruchsgebiet im Voldertal

Vor genau 200 Jahren, also im Februar 1820, ging im Voldertal aus der Ostflanke des Glungezers ein Bergsturz nieder. Der Bergsturz prägt auch heute noch das Erscheinungsbild des mittleren Voldertals und spiegelt sich in der Sagenwelt wieder.

Die Vorbergreise prägt das mittlere Voldertal

Es ist tiefer Winter, als die Bewohner im vorderen Voldertal ein Getöse und ein dumpfes Grollen hören. Es folgt ein heftiger Windstoß, der eine Wolke von gelbem Schnee durch das Tal hinausbläst. „Das furchtbare Krachen war noch einige Male während des Tages unheildrohend aus der Schlucht zu hören. Die tiefen Schneemassen verhinderten alle Nachforschungen; nur der Bach kündigte durch das Versiegen seiner Wässer jenes große Hindernis an, das seinen Lauf hemmte.“ Im Frühjahr sah man, dass eine ausgedehnte Weide auf dem Bergrücken verschwunden war „und ein gewaltiger Felsblock von gelber Farbe erhob sich an der gleichen Stelle vor dem erstauten Blick des unglücklichen Eigentümers der Wiese“. So zitiert Walter Grabherr in den Tiroler Heimatblättern einen Bericht, der 1826 auf französisch erschien.

Blick vom Haneburger auf die Vorbergreise

Wie Grabherr in seinem Artikel „Über einige beachtenswerte Naturereignisse im Rosenjoch im Voldertal bei Hall in Tirol“ schreibt, ist es nicht ganz sicher, dass sich der Bergsturz im Februar 1820 ereignete. Der 1826 erschienene französischsprachige Bericht spricht aber von dem Ereignis „vor sechs Jahren“ und auch die Volksüberlieferung spricht laut Grabherr für 1820. Dazu nennt Grabherr noch ein weiteres Faktum: Die Witterung in diesem Winter: In der Weihnachtswoche 1819 habe es ergiebig bis ganz hinauf geregnet und große Schneemengen seien geschmolzen. Danach sei es empfindlich kalt geworden, was die Frostsprengung begünstigte. Dadurch gab es gleichzeitig im Alpenraum mehrere Berg- und Felsstürze sowie Murenabgänge. So soll es Mitte Februar 1820 im Eingangsbereich zur Kranebitter Klamm bei Innsbruck einen größeren Felssturz gegeben haben.

Hier gab es von 1820 bis etwa 1900 einen See

Der Bergsturz aus der Vorbergreise staute den Voldertalbach auf und es bildete sich ein See, aus dem große Felsblöcke emporragten. Dieses Bild spiegelt sich auch in der Sage vom Glungezerriesen wieder. Eine etwas andere Version der Sage bietet die Erzählung von einem ergrimmten Rautenkönig vom Rosenjoch, der die Burg des Königs auf Tulfein samt dem König und seinen sieben schönen Töchtern in das Tal hinabstürzen lies, wo sie im Schwarzbrunnsee versanken. Anfang des 20. Jahrhunderts war der maxmimal zwei Meter tiefe See wieder zugeschottert und damit verschwunden.

Auch heute gibt es immer wieder kleinere Felsstürze

Doch immer wieder kam es auch später aus der Vorbergreise zu Felsstürzen, wie etwa auch die Innsbrucker Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 27. Jänner 1927 schildern: „Nur die mutigsten Gemsjäger wagen sich in diese von Rissen und Spalten durchzogene wilde Bergwelt und wissen nicht genug von den Verwüstungen zu erzählen, die das abbröckelnde und sich zu Tal schiebende Gestein und die Erdmassen hervorrufen. Oftmals hatte sich dort binnen Monaten die Gegend so verändert, dass sie selbst die geübtesten Jägeraugen nicht gleich wiedererkennen konnten“.

Ein Felskörper hat sich vom restlichen Berg abgesetzt

Bis heute ist die Vorbergreise nicht zur Ruhe gekommen. Vereinzelt stürzen immer wieder Felsen und Steine talwärts, wie frische Anbrüche und Spuren zeigen. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt Grabherr am oberen Rand des Bergsturzes einen Geländestreifen, der sich vom Berg abgesetzt hat und dem er prophezeit, dass er ebenfalls einmal abstürzen wird. Bis heute hat sich dieser Streifen am Berg gehalten, aber möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser Teil in das Voldertal hinunterstürzt.

3 Kommentare zu „Der Bergsturz im Voldertal“

  1. Gratuliere Hermann zu dem geologisch informativen Bericht. Wie so häufig in der Geschichte des Landes gelangten alpinen Naturphänomene – wie zum Beispiel Bergstürze aus instabil gewordenen Gletschermoränen im Falle der Vorbergreisen – zum Stoff für Sagen und Erzählungen und bilden somit Zeugnis früher geologischer Beobachtungen, vermischt mit viel dichterischer Freiheit. Ein Teil von lebendigem Volksgut wie ich meine.
    Den tatsächlichen Wahrheitsgehalt dieser Ereignisse aus dem Schrifttum herauszufiltern ist eine spannende Aufgabe bei der die neuzeitlichen geologischen Aufnahmen einen wichtigen Schuhlöffel bieten.
    Berg Heil!
    Rainer

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