Von der Stallsins- zur Gwannalm

Steil und felsdurchsetzt fällt die westliche Talflanke zum Voldertalbach ab. Ein bekannter Steig durch diese Flanke ist der Gwannsteig vom Tulfeinjöchl zur Gwannalm. Doch es ist nicht der einzige. Weiter unten gibt es noch einmal einen Steig. Von der Stallsinsalm zieht er meist leicht ansteigend durch die Flanke taleinwärts. Man gelangt zu ihm, wenn man sich auf dem Steig von der Stallsinsalm zur Tulfein knapp oberhalb der Alm nicht rechts hält, sondern links den Bach in Richtung Süden quert.

Knapp nach der Stallsinsalm mit Blick hinüber zum Haneburger und Malgrübler

Der Steig ist teilweise sehr gut erkennbar, teilweise verliert er sich auch und da braucht es schon einen Riecher dafür, wo er wohl weitergehen dürfte. An einigen Stellen findet man sogar alte Stahlseilversicherungen oder besser gesagt, Reste davon.

Alte Seilversicherungen

Es dürfte wohl überflüssig sein zu sagen, dass man sich auf so etwas besser nicht verlässt. Wie überhaupt die Begehung des Steiges nur denjenigen anzuraten ist, die sich in steilem und teilweise absturzgefährdetem Gelände sicher bewegen.

Teilweise geht es über schmale und felsige Bänder

Nach dem Bach bei der Stallsinsalm steigt der Steig leicht gegen Süden hin an, an einigen felsdurchsetzten Passagen trifft man bald auch auf die bereits erwähnten Reste von Seilversicherungen.

Schöner Blick in das Voldertal

Einmal habe ich dann den Steig kurz verloren, bin aber meiner Devise folgend, eher nach oben als nach unten zu gehen, eine felsige Geländerippe etwa 15 Höhenmeter hinauf und siehe, da war er wieder.

Tiefblick zur Voldertalhütte

Weiter führt er dann teilweise recht gut erkennbar durch Wiesenhänge, und im Bereich oberhalb der Voldertalhütte auch über teilweise recht ausgesetzte felsige Bänder.

Eine pittoreske Stelle in einem recht steilen Abschnitt

In einer schuttigen Rinne war dann der Steig wieder weg. Also bin ich die Rinne etwa 30 bis 40 Höhenmeter hinauf, ehe ich mich durch ein paar Erlenstauden und durch Almrosen hindurch in offeneres Gelände emporgearbeitet habe – und voilà, da war wieder ein Steig. Ob es exakt der gleiche wie weiter unten ist, wage ich nicht sicher zu sagen.

Die Hänge oberhalb der Vorbergreise sind stark zerrissen

Jetzt geht es aber über einfaches und offenes Gelände über einen Bach hinweg bis auf die Schulter oberhalb des Abbruches der Vorbergreise. Da wo der Boden durch die Hangbewegungen zerrissen ist, halte ich mich eher rechts hinauf zu einer Schulter und dann weiter zum Gwannsteig, über den es dann einfach zur Gwannalm geht, sowie weiter nach Schwarzbrunn hinunter und zu meinem Ausgangspunkt beim Volderwildbad.

Blick zurück zur Gwannalm

Zur groben Orientierung hier noch meine Gehzeiten: Ausgangspunkt Volderwildbad 14.15 Uhr, Aufstieg über den Junker Rudi Steig und weiter zur Halsmarter und zur Stallsinsalm (15.15 Uhr), dann über den mir bis dahin unbekannten Steig, um etwa 16.35 Uhr treffe ich auf einer Höhe von etwa 2160 Metern auf den Gwannsteig, auf dem zur Gwannalm (17.00 Uhr) und zurück über Schwarzbrunn (17.30 Uhr) nach Volderwildbad (18.30 Uhr). Wer zur Stallsinsalm schon zwei Stunden braucht, rechne für den Rest besser die doppelten Gehzeiten ein…

Die Hütte beim Schwarzbrunnen

Der Bergsturz im Voldertal

Vor genau 200 Jahren, also im Februar 1820, ging im Voldertal aus der Ostflanke des Glungezers ein Bergsturz nieder. Der Bergsturz prägt auch heute noch das Erscheinungsbild des mittleren Voldertals und spiegelt sich in der Sagenwelt wieder.

Die Vorbergreise prägt das mittlere Voldertal

Es ist tiefer Winter, als die Bewohner im vorderen Voldertal ein Getöse und ein dumpfes Grollen hören. Es folgt ein heftiger Windstoß, der eine Wolke von gelbem Schnee durch das Tal hinausbläst. „Das furchtbare Krachen war noch einige Male während des Tages unheildrohend aus der Schlucht zu hören. Die tiefen Schneemassen verhinderten alle Nachforschungen; nur der Bach kündigte durch das Versiegen seiner Wässer jenes große Hindernis an, das seinen Lauf hemmte.“ Im Frühjahr sah man, dass eine ausgedehnte Weide auf dem Bergrücken verschwunden war „und ein gewaltiger Felsblock von gelber Farbe erhob sich an der gleichen Stelle vor dem erstauten Blick des unglücklichen Eigentümers der Wiese“. So zitiert Walter Grabherr in den Tiroler Heimatblättern einen Bericht, der 1826 auf französisch erschien.

Blick vom Haneburger auf die Vorbergreise

Wie Grabherr in seinem Artikel „Über einige beachtenswerte Naturereignisse im Rosenjoch im Voldertal bei Hall in Tirol“ schreibt, ist es nicht ganz sicher, dass sich der Bergsturz im Februar 1820 ereignete. Der 1826 erschienene französischsprachige Bericht spricht aber von dem Ereignis „vor sechs Jahren“ und auch die Volksüberlieferung spricht laut Grabherr für 1820. Dazu nennt Grabherr noch ein weiteres Faktum: Die Witterung in diesem Winter: In der Weihnachtswoche 1819 habe es ergiebig bis ganz hinauf geregnet und große Schneemengen seien geschmolzen. Danach sei es empfindlich kalt geworden, was die Frostsprengung begünstigte. Dadurch gab es gleichzeitig im Alpenraum mehrere Berg- und Felsstürze sowie Murenabgänge. So soll es Mitte Februar 1820 im Eingangsbereich zur Kranebitter Klamm bei Innsbruck einen größeren Felssturz gegeben haben.

Hier gab es von 1820 bis etwa 1900 einen See

Der Bergsturz aus der Vorbergreise staute den Voldertalbach auf und es bildete sich ein See, aus dem große Felsblöcke emporragten. Dieses Bild spiegelt sich auch in der Sage vom Glungezerriesen wieder. Eine etwas andere Version der Sage bietet die Erzählung von einem ergrimmten Rautenkönig vom Rosenjoch, der die Burg des Königs auf Tulfein samt dem König und seinen sieben schönen Töchtern in das Tal hinabstürzen lies, wo sie im Schwarzbrunnsee versanken. Anfang des 20. Jahrhunderts war der maxmimal zwei Meter tiefe See wieder zugeschottert und damit verschwunden.

Auch heute gibt es immer wieder kleinere Felsstürze

Doch immer wieder kam es auch später aus der Vorbergreise zu Felsstürzen, wie etwa auch die Innsbrucker Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 27. Jänner 1927 schildern: „Nur die mutigsten Gemsjäger wagen sich in diese von Rissen und Spalten durchzogene wilde Bergwelt und wissen nicht genug von den Verwüstungen zu erzählen, die das abbröckelnde und sich zu Tal schiebende Gestein und die Erdmassen hervorrufen. Oftmals hatte sich dort binnen Monaten die Gegend so verändert, dass sie selbst die geübtesten Jägeraugen nicht gleich wiedererkennen konnten“.

Ein Felskörper hat sich vom restlichen Berg abgesetzt

Bis heute ist die Vorbergreise nicht zur Ruhe gekommen. Vereinzelt stürzen immer wieder Felsen und Steine talwärts, wie frische Anbrüche und Spuren zeigen. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt Grabherr am oberen Rand des Bergsturzes einen Geländestreifen, der sich vom Berg abgesetzt hat und dem er prophezeit, dass er ebenfalls einmal abstürzen wird. Bis heute hat sich dieser Streifen am Berg gehalten, aber möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser Teil in das Voldertal hinunterstürzt.

Fließende Böden im Gebirge

„Alles fließt“: – das haben schon Philosophen in der griechischen Antike erkannt. Auch am Berg fließt mehr als mancher denkt. Talwärts fließende Gletscher kennt jeder, auch Blockgletscher haben sich herumgesprochen. Weniger bekannt ist, dass im Gebirge auch der Boden ins Fließen kommen kann und dabei mitunter einem Gletscher ähnliche Formen annimmt.

Fließender Boden bildet eine Zunge, der leichteren Erkennbarkeit wegen habe ich sie farblich leicht hervorgehoben

Wie ein Gletscher kann der fließende Boden eine zungenähnliche Form annehmen, wie auf dem Bild oben im Arbestal westlich des Naviser Jöchls. Weil Fachleute das Phänomen fließender Böden im Bereich zwischen der Wald- und der Schneegrenze „Solifluktion“ bezeichnen, heißen solche Zungen „Solifluktionszungen“.

Bogenförmige Loben unterhalb der Grafmartspitze

Wie vorstoßende Gletscher haben solche Zungen in der Regel eine steile und bogenförmig ausgebildete Stirnfront, beziehungsweise Stauchwälle. Man spricht dann von „Solifluktionsloben“. Die Größe solcher Solifluktionsströme kann sehr stark variieren, es können hunderte Meter lange Ströme mit mächtigen Stirnfronten sein oder kleine Formen, die nur an den lobenartigen Bildungen zu erkennen sind.

Eine kleine Lobe mit steiler Stirn

Besonders viele dieser Loben findet man im Voldertal in den kleinen Karen östlich von der Grafmartspitze, also ziemlich im Abseits in weglosem Gelände.

Zwei weitere Loben, zwischen der Grafmartspitze und den Melkböden

Weniger im Abseits ist etwa die ganz oben abgebildete Solifluktionszunge mit entsprechender Lobenbildung direkt neben dem Steig zum Largoz knapp unterm Gipfel. Maßgeblich für die Entstehung solcher Zungen beziehungsweise Loben ist das Zusammenspiel von Frost und Auftauen im Boden in einem Klima mit einem Jahresmittelwert von unter 3 Grad Celsius. Die Böden fließen allerdings nur sehr langsam talwärts, wenige Zentimeter im Jahr sind hier die Regel. Der Übergang von Solifluktion zu Blockgletschern dürfte fließend sein. Der Geologe Alfred Gruber schreibt etwa in einem Kartierungsbericht: „In den Karen und Karschultern E’ der Grafmartspitze haben sich aus dem Blockschutt schmale, längliche Blockgletscher entwickelt. Aus dem feineren Schutt auf den steileren Hängen entstanden hingegen schöne Solifluktionsschutt-Loben.“ (Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 2005, S. 339 ).

Blick von der Grafmartspitze: Das könnten die von Gruber gemeinten Solifluktionsschutt-Loben sein…
…und hier ein benachbarter Blockgletscher

Nun, die von Gruber erwähnten Blockgletscher bei der Grafmartspitze sind nicht wirklich eindrucksvoll. Da gibt es im Voldertal Besseres. So hat der Blockgletscher westlich unterm Haneburger eine nach wie vor imposant steile Front, was auch ein Hinweis darauf sein könnte, dass er nach wie vor aktiv ist.

Die Front des Blockgletschers unterm Haneburger

Solifluktion gibt es im Gebirge vielerorts und auch außerhalb des Voldertals. So sind etwa am Weg zur Serles am Ostgrat der Lämpermahdspitze sehr schöne Solifluktionsloben zu sehen.

Solifluktionsloben vom Weg zur Serles aus gesehen

Das Rosenjoch, Sitz der Eisgöttin

In der Sage ist das Rosenjoch Sitz einer Eisgöttin. Tatsächlich lag unter dem höchsten Gipfel des Voldertals noch vor etwa 100 Jahren der größte Gletscher der Tuxer Alpen. Das Wachsen und Fließen des Gletschers mit dem Morgen- und Abendrot galt als Symbol ewigen Lebens.

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Der Haneburger

Wie eine Festung thront die trapezförmige Felsbastion des Haneburgers über dem Voldertal. Schon im ausgehenden Mittelalter haben die Menschen in dieser Felsmauer eine Burg gesehen. Wenige Jahre nach dem Ende des Mittelalters, im Jahr 1500, heißt es im Gejaidbuch von Kaiser Maximilian „zu der wanndt Hännpurg“. Karl Finsterwalder übersetzt die Bedeutung des Namens als „burgartiger Fels, der ein Falzplatz für Hähne ist“. „Falz“ ist eine kaum mehr verwendete Bezeichnung für „Balz“.

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Die Geologie des Voldertals

Ein Architekt kann ein Haus aus Holz, Stein oder Beton planen. Das Ergebnis wird verschieden sein. So bestimmen auch die Gesteine die Gestalt der Berge und Täler. Grund genug, das Baumaterial des Voldertals, seine Geologie, in den Blick zu nehmen. Fast das ganze Voldertal gehört zum „Innsbrucker Quarzphyllit“. Doch hier wartet schon der erste Fallstrick: Auch wenn der Quarzphyllit ein Gestein ist, bezeichnet „Innsbrucker Quarzphyllit“ genau genommen kein Gestein, sondern eine geologische Einheit, in der verschiedene Gesteine vorkommen können. Selbstredend nimmt der Quarzphyllit einen großen Teil davon ein, aber genauso kommen hier etwa Marmor oder Grünschiefer, sogenannte „Prasinite“, vor.

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Der Bergbau im Voldertaler Eisenkar

Der Bergbau im Voldertaler Eisenkar teilt das Schicksal vieler alpiner Bergbaue. Trotz des hochwertigen Erzes kam der Bergbau nie richtig in die Gänge, weil er zu hoch und zu entlegen lag. Dennoch zeugen heute noch Spuren vom einstigen Bergbau und von der Suche nach dem Erz. Zu finden ist dieser Bergbau im hinteren Voldertal östlich der Melkböden, die oberhalb der Steinkasern-Alm liegen. Ich habe die Gegend hier im Sommer 2017 zwei Mal aufgesucht, einmal Ende Juni und ein zweites Mal Mitte August. Normalerweise ist Ende Juni zu früh in dieser Höhe, aber nach dem schneearmen Winter und dem warmen Frühjahr gab es hier nur mehr wenige Schneereste.

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Bergbau Volderwildbad

Im Voldertal hat es früher zumindest zwei Bergbaue an Lagerstätten gegeben, die mehr als eine Rucksacklagerstätte waren. „Rucksacklagerstätten“ sind eine  Bezeichnung für extrem kleine Lagerstätten, deren Erz man quasi in einen einzigen Rucksack packen kann. Einer dieser beiden größeren Bergbaue lag nahe beim Volderwildbad, der andere im südwestlichen Talschluss, im Eisenkar. Schon die Lage der Stollen bei Volderwildbad macht klar, dass sich die Knappen ihr Brot hart verdienen mussten. Die Stollen liegen in einer steilen und mit Felsen durchsetzten Rinne. Heute sind drei Stollen zu finden, der längste von ihnen misst vielleicht 30 Meter, die anderen beiden kommen auf keine zehn Meter.

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